Das geschrottete Handy

Ich habe kein Handy!

Mein Handy hat den Geist aufgegeben. Laut Hersteller soll es wasserdicht sein, sogar, wenn es ins Wasser fällt. Wusstet ihr, dass ein aus der Hose gerutschtes und in die Toilette gefallenes Handy die meisten Handyschäden von allen verursacht?

 

 

Mein Handy ist nicht in die Toilette gefallen. Meine Tochter und ich waren im Regen wandern. Es war noch nicht einmal ein starker Regen. Kontinuierlich – ja, stark – nein. Ich hatte ein Wandernavi auf dem Handy, weswegen ich es in der Hand hielt. Es sollte ja angeblich wasserdicht sein, da werden so ein paar Regentropfen ja wohl keinen Schaden anrichten – dachte ich.

2,5 Stunden waren wir wandern, dann stiegen wir ins Auto. Und auch hier benutzte ich das Handy wieder um zurück nach Toulouse, wo ich ja Urlaub gemacht habe, zu navigieren.

Das Erste, was uns auffiel, war, dass die Navistimme plötzlich blechern wurde. Das fanden wir noch lustig.

Als wir ausstiegen bemerkte ich, dass das an den Strom angeschlossene Handy sehr heiß war UND dass es vibrierte. Nun habe ich jegliches Vibrieren abgestellt, weil mich das nervt. Warum also vibrierte das Handy?

 

Das Drama nimmt seinen Lauf

Ich rief erst einmal meinen Mann an. Schließlich hat der aufgrund seines Berufes Ahnung von Technik.

Er konnte sich auch nicht wirklich erklären, was da gerade vor sich ging. Wahrscheinlich hatte sich über einen Kontakt ein Wasserfilm gelegt, so dass er jetzt Kontakt hatte, obwohl er den nicht haben sollte.

Aussage meines Mannes: „Da gehen gerade böse galvanische Dinge vor.”

Natürlich war es schon viel zu spät für einen Handyladen. Und so ging ich ins Hotel. Weil mir das alles zutiefst unheimlich war und ich einfach nur wollte, dass es aufhört zu vibrieren, sah ich mir auf meinem Tablet ein Video an, wie man das Handy auseinander nimmt. (Siehe: https://www.youtube.com/watch?v=eIx6HWwYWIU&ab_channel=kaputt.de)

Hier war Improvisation angesagt, denn ich hatte weder Wärmepads noch meine Plektren mitgebracht (was soll ich damit auch ohne meine Gitarre mit anfangen?). Heizung und ADAC-Karte mussten ran und ich kriegte das Ding wirklich auf. Leider konnte ich nur die Rückseite abbauen, denn ich hatte ja auch keinen Uhrmacher-schraubendreher dabei. Und mit einem Messer ließen sich die Schrauben nicht drehen. 

Aber immerhin kam so etwas mehr Luft ins Innere.

 

Es hört nicht auf zu vibrieren

Auf den Rat meines Mannes hörend schaltete ich ein Video ein, damit sich der Akku möglichst schnell entleerte.

Um ca. 23 Uhr war es dann so weit. Darauf hatte ich schon gewartet, denn ich hatte wirklich Angst, dass das Ding explodiert oder zumindest anfängt zu brennen.

Leider ging der Bildschirm aus und das Handy vibrierte immer noch. Hier drohte eine Tiefenentladung mit hoher Brandgefahr. Also wurde ich rabiat und baute mühevoll den Akku irgendwie doch noch aus.

Damit habe ich wahrscheinlich jeden Garantieanspruch zunichte gemacht. Das war und ist mir in diesem Fall aber echt herzlich egal, solange ich mit meinem Handy nicht einen viel größeren Schaden anrichte.

Jetzt hörte es endlich auf zu vibrieren. Große Erleichterung meinerseits!!!!

 

Das Telefon ist tot

Ich ließ das Ding erst einmal ein paar Tage trocknen, um dann in Toulouse in einen Reparaturladen zu gehen. Ich werde niemals das Gesicht der Frau, die es dann aufschraubte, vergessen. So etwas hatte sie, glaube ich, noch nie vorher gesehen!

Sie sagte, da sei nur noch mit großem Aufwand etwas zu machen. Das ganze Innenleben ist komplett oxidiert. 

Zum Glück hatte ich wenigstens die beiden SIM-Karten und meine geliebten Fotos auf der SD-Karte rechtzeitig gerettet.

Das ist also das Todesurteil für mein Handy.

Den Akku hat die nette Dame übrigens kostenfrei entsorgt, mit dem Kommentar, dass er immer noch jederzeit anfangen könnte zu brennen. Sie war dabei so bestimmt, dass ich den Eindruck gewann, dass sie ihn mir selbst dann nicht gegeben hätte, wenn ich darauf bestanden hätte.

 

Nachdenken über das Handy

Diese ganze Geschichte hat bei mir zu verschiedenen Überlegungen geführt, die ich euch jetzt nach und nach schildern möchte:

 

Warum?

Warum werden Handys heute so gebaut, dass man den Akku nicht mehr herausnehmen kann?

Oh, die Antwort ist mir ganz klar. Der Akku ist das Erste, was bei einem Handy schlapp macht. Ist er kaputt, ist es viel einfacher, sich ein neues Handy zu kaufen, als das alte zur Reparatur zu bringen. 

Da steckt also echtes Geschäftsdenken dahinter.

Das kann durchaus gefährliche Folgen haben.

Hätte ich den Akku sofort herausnehmen können, hätte nicht nur das Vibrieren sofort aufgehört, auch die „galvanischen Vorgänge“ wären gestoppt worden und ich hätte das Handy einfach trocknen lassen können. Es hätte nicht die Gefahr eines explodierenden oder brennenden Akkus gegeben.

Machen sich die Entwickler dieser geschlossenen Handys diese Gefahr eigentlich bewusst? Oder ist es ihnen schlicht egal, Hauptsache, der Profit stimmt?

Durch meinen Mann weiß ich, wie ernst Sicherheitstechnik in Deutschland genommen wird. Mit Normen, Richtlinien, Prüfungen ….. Hier scheint dieses System völlig zu versagen – zugunsten des Profits der Handyhersteller.

 

Umweltaspekt

Ein weiterer mir wichtiger Aspekt ist der Umweltaspekt.

Ich kann auf das Handy nicht verzichten. Selbst wenn ich es nicht für meine Arbeit bräuchte, braucht heute eigentlich jeder ein Handy. Früher gab es Telefonzellen, von denen aus man im Notfall Polizei, Feuerwehr oder eine helfende Person erreichen konnte. Wann habt ihr zum letzten Mal eine funktionierende Telefonzelle gesehen, die nicht abgerissen oder zu einer Bücherei umgewandelt war?

Auch das ist ein Sicherheitsaspekt.

Also, jeder braucht ein funktionierendes Handy, und sei es noch so einfach.

Wenn diese Handys darauf ausgelegt sind, nicht repariert zu werden und nach spätestens 2,5 Jahren kaputt sind, dann entstehen riesige Müllberge (meine Handys vorher haben übrigens alle mindestens 5 Jahre gehalten, weil ich das ehrlich gar nicht einsehe und auch nicht immer das neueste Handy brauche).

 

 

Und neben den Müllbergen müssen viele Ressourcen angezapft werden, übrigens häufig unter den mieserabelsten Arbeitsbedingungen, die man sich vorstellen kann.

Das ist in meinen Augen nicht sinnvoll.

Daher habe ich mich bei meinem nächsten Handy für ein nachhaltiges Handy entschieden, bei dem ICH SELBST jedes Teil austauschen kann und von dem der Hersteller so überzeugt ist, dass er von Vornherein 5 Jahre Garantie darauf gibt. 

Das ist nachhaltig!

 

Kommunikation

Die bisherigen Aspekte waren mir wichtig. Jetzt kommt ein Aspekt, der mir noch viel wichtiger ist. Der wichtigste von allen.

Was ist eigentlich mit der Kommunikation von Angesicht zu Angesicht geschehen?

Ich bin in meinem Leben sehr viel gereist. Davon die meiste Zeit bevor irgendjemand an Handys oder gar an Smartphones gedacht hat. 

Ich bin nie verloren gegangen!

Meine Tochter fragte mich: „Wie hast du das eigentlich gemacht, als es noch keine Handys mit Navis gab?“

Dazu musst du wissen, dass ich der Mensch mit dem schlechtesten Orientierungssinn überhaupt bin. Geh mit mir spazieren und du gehst 100 % in die verkehrte Richtung, wenn ich den Weg vorgebe.

Früher hatte ich einen Reiseführer mit Stadtkarten. Und wenn ich mich trotzdem mal verlaufe hatte, habe ich jemanden gefragt. Wozu habe ich mein vorlautes Mundwerk? Und wenn es, wie in Thailand, mit der Sprache etwas hakte, dann hatte ich Hände und Füße zur Verfügung.

 

 

So kam ich mit Menschen ins Gespräch, und daraus ist tatsächlich so manche Freundschaft entstanden. Gerade in Australien, wo die Menschen genauso kommunikativ wie ich und unglaublich gastfreundlich sind. Hier bin ich durch solche Aktionen zu mancher freien Übernachtung gekommen!

Und wenn es keine gemeinsame Sprache gab, gab es immer viel zu lachen und wir gingen fröhlich auseinander. Den Weg wusste ich dann übrigens meistens.

In Köln, wo ich studiert habe, saß ich nie lange alleine irgendwo herum. Irgendwer hat mich bestimmt angesprochen. Und auch daraus sind viele Freundschaften entstanden. Genau wie in der Bahn auf längeren Fahrten.

 

Und heute?

Ich liebe es, Menschen zu beobachten. Gehört ja irgendwie auch zu meiner Berufung als Lerncoach und Lehrerin (https://holz-lerncoach.de/)

Da sitze ich also am letzten Ferientag in Carcassonne im Restaurant, etwas „Handy-odyssee-geschädigt“, und schaue mich um.

Neben uns: Ein Tisch mit zwei Ehepaaren. Alter: Zwischen 40 und 50 Jahren. Alle 4 mit Handy in der Hand. Ab und zu zeigt jemand etwas auf seinem Handy herum (mit lauten Geräuschen, was ich echt hasse, wenn ich mich unterhalten will). Sie reden nur über das, was sie auf ihren Handys ansehen.

Hinter meiner Tochter: Zwei junge Männer, die sich einen Salatteller teilen und ansonsten auf ihrem Handy herum tippen. Konversation mit nicht anwesenden Personen.

 

 

Auf der Straße benutzt man das Navi (ich übrigens sehr intensiv, denn ich habe ja keinen Orientierungssinn). Keiner fragt mehr nach dem Weg. Keiner nimmt sich mehr die Zeit, einen Weg zu erklären.

 

Nachdenken

Ich hatte in den letzten Tagen sehr viel Zeit, über Handys und deren Gebrauch nachzudenken.

Ich hatte Handyentzugserscheinungen. Ich nutze das Handy viel. 

Und doch denke ich, dass das Handy in gewisser Weise zu unserer Vereinsamung beträgt. Überall höre ich: Sei Achtsam, sei im Hier und Jetzt.

Mich verleitet das Handy dazu, nie genau da zu sein, wo ich gerade stehe, laufe oder sitze. Mich nicht mehr mit den Menschen in meiner unmittelbaren Umgebung zu unterhalten.

In den letzten Tagen habe ich wieder viel mehr über viele Themen, die mich interessieren, nachgedacht. Im Bus, während ich in der Schlange auf etwas gewartet habe, im Hotel. Alles Situationen, in denen ich sonst automatisch zum Handy greife. 

Mal eben WhatsApp und Mails checken, dieses oder jenes nachsehen….

Und dabei achte ich schon darauf, dass, wenn ich mit jemandem unterwegs bin, ich mich auch wirklich mit dieser Person und nicht mit anderen, weit entfernten Personen beschäftige. Das ist auch nicht mehr überall und bei allen Menschen gegeben.

Ich habe festgestellt, dass mich das unglücklicher macht, weil ich weniger mit vorhandenen Menschen kommuniziere.

 

Will ich das?

NEIN

Ich werde jetzt noch ein paar Wochen Handyentzug haben, da das nachhaltige Handy, für das ich mich entschieden habe, nicht im Laden zu kaufen ist und mindestens 2 Wochen Lieferzeit hat.

Ich werde die Zeit nutzen, um wieder unabhängiger vom Handy zu werden. Die echten Entzugserscheinungen am ersten Tag haben mir gezeigt, wie abhängig ich mich von diesem Ding gemacht habe. Und meine Gedankenreise in die Vergangenheit hat mir gezeigt, dass ein Handy eine tolle Sache ist, die ihren Sinn in unserer Welt hat, und doch ging es auch ohne gut. In mancher Hinsicht für mich besser, auch wenn ich nicht behaupte, dass früher alles besser war.

Ganz werde ich es nicht weg lassen. Ich brauche es tatsächlich auch beruflich. Und so mancher private Kontakt zu meiner weit verteilten Familie ist damit auch leichter.

Und doch möchte ich mich wieder mehr auf die „echten“ Vor-Ort-Kontakte konzentrieren, weil es mir einfach gut tut!

 

Was ich mit Freude zur Kenntnis genommen habe…

…war, dass es mich nicht völlig aus der Bahn geworfen hat und mir nicht einmal die Freude an dem Tag mit meiner Tochter verdorben hat, dass mein Handy den Geist aufgegeben hat.

Natürlich habe ich mich geärgert. Das Ding war schließlich auch nicht billig. 

Und doch hab ich gemerkt, dass ich seit Jahren daran arbeite, wichtige Dinge in den Vordergrund zu rücken und unwichtige nicht so ernst zu nehmen. 

Es ist schließlich nur ein Handy, das gestorben ist. 

Das Zusammensein mit einem mir wichtigen Menschen ist wichtiger. Das gemeinsame Tun mit ihm auch. Das Füreinander-da-sein ist wichtig.

Ein Handy kann man ersetzen. Diese wunderbaren gemeinsamen Stunden nicht. Nichts und niemand würde sie mir zurück geben, wenn ich sie mir verderben lassen würde.

Und ich merke, dass ich, auch dank meiner eigenen an mir selbst angewandten Coachingtechniken, zu einem ausgeglicheneren und damit glücklicheren Menschen werde. 

Diese Erkenntnis und die Erinnerungen an die wunderschönen Tagen in Toulouse sollen in meinem Gedächtnis haften bleiben. 

Dann ist alles gut!