Was bist du bereit zu geben?

Timeline

Im Coaching mache ich mit meinen Coachees oft eine sogenannte Timeline. Dabei geht es darum festzustellen, was ihr angestrebtes Fern-Ziel ist und welche Zwischen-Ziele sie bis dahin erreichen wollen/müssen.

Außerdem sollen sie sich Gedanken darüber machen, was sie ganz persönlich investieren müssen, um das Fernziel zu erreichen. Das wird in der Timeline „Invest“ genannt. Des Weiteren werden noch die Unterstützer, das heißt die Menschen, die mich in meinem Vorhaben unterstützen, und die Eigenschaften, die ich bereits habe um das Ziel zu erreichen, aufgeschrieben.

Heute soll es um das Ziel und das Invest gehen.

 

Vom Traum zum Ziel

Jeder Mensch hat Träume. Aus manchen dieser Träume werden realistische Ziele.

Ich hatte zum Beispiel irgendwann den Traum, Musik zu studieren. Leider hatte ich mit 12 in einer pubertären Trotzphase, in der mir das Üben zum Hals raushing, aufgehört zum Instrumentalunterricht zu gehen. Keine gute Voraussetzung für ein Musikstudium.

Jetzt war ich 16, hatte eine phantastische Musiklehrerin in der Schule (ja, auch das gibt es, inspirierende Lehrer, die Schülern den Traum zu einem bestimmten Studium in den Kopf setzen) und wollte nichts lieber als Musik studieren.

Also suchte ich mir Lehrer für Gitarre und Klavier. Und mein Traum wurde zu meinem Ziel.

Zu viel durfte der Unterricht nicht kosten, da ich das Kind einer alleinerziehenden Mutter war. Deswegen handelte ich mit meinem früheren Klavierlehrer aus, dass ich einmal in der Woche seine achtjährige Tochter betreuen würde und dafür Klavierstunden erhalten würde. Klavierunterricht gesichert!

Auch die Gitarrenlehrerin kam mir entgegen, weil sie hoch erfreut war, eine Schülerin mit so einem Ziel unterrichten zu dürfen. Also trug ich 2 Mal in der Woche Zeitungen aus und konnte damit den Gitarrenunterricht finanzieren.

 

Das Ziel verfolgen

Jetzt hatte ich also die Grundvoraussetzungen geschaffen, um mein Ziel zu erreichen.

Mein ganz persönliches Invest war hoch: einen Nachmittag/Abend zum Babysitten, 2 Mal in der Woche je vier Stunden Zeitungen austragen – einmal davon samstags, also kein freies Wochenende. Hinzu kam das Üben. Vier Jahre hatte ich nicht geübt, das rächte sich nun bitter. Umso mehr musste ich jetzt üben. Nicht gerade zur Freude unserer Nachbarn, mit denen ich deswegen viele Auseinandersetzungen hatte.

Für das Abi musste ich natürlich auch lernen. Zum Glück gab es für meine Studienfächer wenigstens keinen Numerus Clausus. Am Ende habe ich fast zeitgleich mein Abi und die Aufnahmeprüfung zum Musikstudium gemacht. An den Noten für beides konnte man genau ablesen, was davon mir wichtiger war.

Dieser ganze Aufwand in den letzten vier Schuljahren hat sich mehr als gelohnt. Noch heute denke ich mit Freude an meine Studienzeit zurück. Musik studieren war wirklich die Erfüllung meiner Träume. Nie mehr habe ich danach so viel Musik mit so vielen verschiedenen Menschen gemacht. Da ich Schulmusik studiert habe, waren wir keine Konkurrenten, wie das oft im Instrumentalstudium der Fall ist. Wir durften einfach Spaß haben. Das Studium ist mir, obwohl ich auch jetzt noch viel arbeiten musste um es zu finanzieren, sehr leicht gefallen. (Studiert habe ich hier: https://www.hf.uni-koeln.de/30338)

 

Und wenn man das Ziel dann erreicht hat?

Nach dem Studium fiel ich erstmal in ein tiefes Loch. Es war einfach kein Ziel mehr da. Was ich nämlich nicht bedacht hatte war, dass ich das Studium toll fand, das Arbeiten in der Regelschule aber durchaus seine Tücken hat.

Musik machen mit anderen Musikern ohne Konkurrenzdruck ist superschön – deswegen wäre ich auch als Profimusiker ungeeignet, was mir schon vor dem Studium klar war. Aber Musik machen mit 25 bis 30 Kindern?

Zum Glück haben sich mir immer wieder Ziele eröffnet, für die ich wieder gebrannt habe. Oft habe ich sie mir selbst gemacht. „Normalen Musikunterricht“ finde ich, vor allem in einem Bundesland, in dem in jedem Fach theoretische Klassenarbeiten geschrieben werden müssen, zu dröge für die Kinder. Das passt für mich so gar nicht zur Musik. Das ist doch ein praktisches und soziales Fach, weswegen ich mir immer sehr praktische Unterrichtsinhalte habe einfallen lassen. Wem nützt es, wenn Kinder wissen, was eine C-Dur Tonleiter ist?

Also habe ich mir eigene Projekte gesucht und z.B. mit meiner Musikkollegin ein riesiges Musical mit den Schülern auf die Beine gestellt.

DAFÜR lohnt sich der Gang in die Schule, und zwar sowohl für die Schüler als auch für uns Lehrer!

 

Zurück zur Timeline

Doch was hat das alles nun mit der Timeline zu tun?

Hätte mich ein Coach damals gefragt, wie wichtig mir auf einer Skala von 1 bis 10 mein Ziel Musik zu studieren ist, hätte ich wahrscheinlich geantwortet: 100.

Bei den Invests hätte Geld verdienen bzw. arbeiten für den Instrumentalunterricht und keine Freizeit mehr wegen des vielen Übens gestanden.

Und genau das habe ich durchgezogen, weil ich mir gar nichts anderes vorstellen konnte.

 

Ziel und Invest passen nicht zusammen?

Die meisten Menschen haben ein Ziel. Doch wieviel sind sie bereit dafür zu investieren?

 

Wenn ich die Timeline mit Coachees mache, dann schicke ich sie in ihre Gefühle.

–> Schließe die Augen und stell dir vor, du hast dein Ziel gerade erreicht. Du stehst vor der Eingangstür der Uni und hast dein Zeugnis in der Hand. Wie fühlst du dich in diesem Moment?

Mit diesem Gefühl schicke ich sie dann nochmal zum Invest, und auch hier wieder in die Gefühle:

–> Schließe die Augen und stell dir vor, dass du dein Ziel wirklich erreichst und du dafür diese Dinge machst. Wie fühlst du dich dabei?

Meistens sind die Coachees, genau wie ich damals, gerne bereit für das Erreichen ihres Ziels alles zu geben.

Manchen fällt in diesem Moment auf, dass sie eben nicht bereit sind, alles zu geben, was sie geben müssten, um ihr Ziel zu erreichen. Finanzielle Probleme sind dabei nie das Problem, das Geld bekommt man auf die eine oder andere Weise zusammen. Was dagegen oft im Weg steht ist die Bereitschaft, wirklich die Zeit zu investieren. Auf einen absehbaren Zeitraum hin eben kaum noch bis gar keine Freizeit mehr zu haben, keine Zeit für die Freunde, die Familie und die Hobbies.

 

Was nun tun?

In diesem Moment stellt sich die Frage: was soll ich jetzt machen?

Es gibt mehrere Stellschrauben, an denen jetzt gedreht werden kann: das Ziel und der Weg dahin.

Zurück zum Ziel: ist DAS wirklich mein Traumziel? Oder gibt es Faktoren, die mich glauben lassen, dass das mein Traumziel ist, obwohl ich viel lieber etwas anderes machen möchte?

Solche Faktoren können auch die Erwartungshaltung von außen sein: von Akademikerkindern wird oft erwartet, dass sie selbstverständlich auch studieren. Sie können sich aufgrund ihrer Sozialisation gar nicht vorstellen, dass sie auch in einem Beruf glücklich werden können, für den sie nicht studieren müssen. Und das, obwohl ihnen ein praktischer Beruf viel mehr liegen würde als ein Studium. Anders herum können sich oft Kinder von Menschen, die nicht studiert haben, gar nicht vorstellen, ein Studium zu machen. Sei es, weil sie DENKEN, dass sie dafür zu dumm seien, sei es, weil in der Familie eher Wert darauf gelegt wird, dass schnell Geld verdient wird. Selbst in Finnland, wo die Chance auf einen guten Abschluss auch für Kinder, die nicht aus einem Akademikerhaushalt kommen, viel höher ist als bei uns, studieren vor allem junge Erwachsene, deren Eltern auch schon studiert haben.

Auch ich konnte mir kein anderes Studium als ein Lehramtsstudium vorstellen, weil es der einzige akademische Beruf war, den ich überhaupt kannte. Denn auch ich kam aus einer Familie, die man heute als bildungsfern bezeichnen würde.

Wenn sich wirklich herausstellt, dass das Ziel falsch gewählt ist, dann mache ich mich zusammen mit dem Coachee auf den Weg, das richtige Ziel zu finden. Ist das Ziel nach aller Überlegung immer noch das richtige, dann sehen wir uns gemeinsam den Weg dorthin an.

 

Wie finde ich den richtigen Weg?

Nach vielen Coachingausbildungen kenne ich unendlich viele Techniken, den richtigen Weg zum Ziel zu finden. Der in meinen Augen machtvollste Weg ist das O.C.E.A.N.© – Modell (siehe dazu auch: https://holz-lerncoach.de/endlich-deep-o-c-e-a-n-coach/).

Auch hier nehme ich mich wieder als bestes Beispiel:

Das Musikstudium habe ich mit Leichtigkeit erreicht und durchgezogen, ich war bereit, alles dafür zu geben und habe es hundertfach zurück bekommen.

Andere Langzeitziele zu erreichen fällt mir schwer, und ich habe, bevor ich mein O.C.E.A.N.© – Modell kannte, nie so richtig erfasst, warum das so ist. Ich habe mich immer nur über mich selbst geärgert, und konnte es doch nicht ändern.

Jetzt bekam ich mit 50 Jahren dieses Modell, und es schien mir wie ein Geschenk des Himmels, weil mir nun so viel über mich selbst klar wurde.

Ich bin sehr niedrig in den Kategorien Ordnung und Fleiß.

Das mit der Ordnung wusste ich schon immer, dafür muss man nur einen Blick in mein Arbeitszimmer werfen. Keine Überraschung auf den ersten Blick hier. Und Ordnung bedeutet noch so viel mehr als nur Ordnung halten. Es bedeutet: strukturiert arbeiten, den Überblick behalten bei dem, was man tut. Tja, was soll ich sagen. Dass ich nicht so strukturiert bin wie andere, die mir damit manchmal sogar auf den Geist gehen, das wusste ich auch. Der Vorteil ist: dadurch, dass ich Sachen ohne Plan anfange, entstehen manchmal ganz unerwartete, wunderschöne und sehr nützliche Dinge. Ich nenne das kreatives Chaos. Manchmal entsteht natürlich auch nur Chaos, ohne kreativ, das muss ich wohl hinnehmen.

Bei niedrigem Fleiß habe ich ganz schön geschluckt: ich arbeitete doch echt viel, war nie arbeitsscheu, hatte immer was zu tun.

Ja, das ist mit Fleiß auch nicht gemeint, das hat bei mir eher etwas mit anderen Ausprägungen zu tun. Fleiß bedeutet: Langzeitziele nicht aus den Augen verlieren und verfolgen zu können. Ja, und genau damit habe ich ein Thema, da bin ich nicht gut drin. Der Vorteil hier gering ausgeprägt zu sein ist, dass ich mir Wege suche, Dinge schnell und mit wenig Arbeit zu erledigen. Oft wird mir gesagt, dass ich äußerst effektiv arbeite. Das genau habe ich meinem geringen Fleiß zu verdanken!

 

Wege finden, die mir entsprechen

Warum habe ich also trotz dieser zwei Punkte den Weg zum Musikstudium und das Studium selbst so gut durchgehalten?

Das hat mit zwei anderen Ausprägungen zu tun: Hoch in Erleben und Enthusiasmus.

Wer hoch in Erleben ist, braucht in irgendeiner Form Ästhetik um sich herum. Da ich nicht sehr visuell aufgestellt bin, habe ich meinen Ästhetikbedarf in der Musik ausgelebt. Daher liebe ich sie bis heute so sehr.

Mein Enthusiasmus bewirkt, dass ich mich sehr für Dinge begeistern kann. Da ich in der Musik viele, viele kurze Projekte hatte, die ich gut erreichen konnte – sozusagen von einem Konzert zum nächsten – fiel der geringe Fleiß nicht so ins Gewicht. Bevor der Enthusiasmus für das eine Projekt abgeflaut war, war es schon beendet und das nächste stand an, mein Enthusiasmus tanzte Tango!

Was lerne ich daraus: ich muss mir mein durchaus vorhandenes Fernziel in wirklich viele gut zu erreichende Kleinziele aufteilen, die mich begeistern. Dann komme auch ich am Ende da an, wo ich wirklich hin will.

Nachdem ich das JETZT erfahren durfte, kann ich mir Muster aufbauen, um mich nicht mehr über mich selbst ärgern zu müssen. Mir geht es wie vielen aus der O.C.E.A.N.© – Fortbildung: Warum habe ich das nicht schon vor 30 Jahren gewusst?

Wenn du dein Modell kennst fällt es dir einfach viel leichter, dich selbst zu verstehen, gnädig mit dir zu sein (mir ist es seither viel weniger peinlich, wenn Leute vorbei kommen und es mal wieder völlig unaufgeräumt ist!) und dir Strukturen aufzubauen, mit denen DU glücklich bist, weil du nicht mehr gegen deine Persönlichkeit ankämpfst.

 

Falls du Neugierig geworden bist: ich darf die O.C.E.A.N.© – Auswertung seit Dezember auch machen. Wenn du dich selbst besser kennenlernen willst und mit dir selbst liebevoller umgehen möchtest, dann melde dich einfach bei mir! (Am besten über meinen Kalender: https://holz-lerncoach.de/kontakt/)

 

Ich wünsche dir noch eine schöne Woche, in der du deinen Zielen wieder näher kommst!

Deine Daniela