Let’s play together

Endlich wieder Gamelan

Letzte Woche habe ich zum ersten Mal seit einer gefühlten Ewigkeit Gamelan gespielt. (Corona hat auch hier das Üben sehr erschwert!)

Du weißt nicht, was das ist? Gamelan bezeichnet sowohl ein indonesisches Instrumentarium als auch die Musik, die auf diesem Instrumentarium gespielt wird. 

Es handelt sich um große Glockenspiele und Gongs und noch so einiges an anderen Instrumenten. Wenn du gerne mehr wissen möchtest, dann schau mal hier, das ist das Gamelaninstrumentarium, auf dem ich in Stuttgart mitspielen darf: https://gamelan-stuttgart.de/

Je nach indonesischer Insel hört sich die Musik sehr unterschiedlich an, da die Instrumente leicht anders gebaut und gespielt werden. Und auch in anderen südostasiatischen Ländern werden oft ähnliche Instrumente gespielt. Ich spiele hier auf einem javanischen Gamelan mit. Balinesisches Gamelan hört sich ganz anders an und ich hoffe immer noch, dass ich irgendwann einmal die Möglichkeit bekommen werde, balinesisches Gamelan zu spielen. 

 

Nur gemeinsam sind wir stark

Allen Gamelanorchestern bzw. der Gamelanmusik gemeinsam ist, dass ein Instrument nicht für sich alleine gespielt werden kann. Geht zum Üben natürlich schon, und hört sich dann sehr einsam an. Hier kannst du einen Höreindruck von javanesischem Gamelan bekommen: https://www.youtube.com/watch?v=4XDbIg3qevw&ab_channel=ZXYUTubeOfficial.

Der wunderschöne und im Falle des javanischen Gamelans oft meditative Klang ergibt sich erst aus dem Zusammenspiel aller Instrumente. Deswegen ist es schade, dass wir in den Orchestern, in denen ich hier in Deutschland spiele, oft nicht für jedes Instrument einen Spieler haben. Sei es, weil wir einfach zu wenige sind. Sei es, weil keiner ein bestimmtes kompliziertes Instrument, das auch dazu gehören würde, spielen kann.

 

Jeder ist wichtig

Sarons

Es gibt die Instrumente, die die Kernmelodie spielen. Die sogenannten Sarons. Glockenspiele von ganz klein bis ganz groß. (Hier findest du Abbildungen und noch weitere Erklärungen zu den Instrumenten: https://gamelan-stuttgart.de/Gamelan.html) Diese scheinen vordergründig leicht zu spielen zu sein. Und doch, die Spieler dieser Instrumente müssen ganz genau hinhören, was verschiedenste andere Instrumente spielen, um Wechsel in der Melodie und/oder im Tempo genau zum richtigen Zeitpunkt zu machen. Da immer mehrere Instrumente zusammen spielen, ist das oft gar nicht so einfach, zumal die Spieler ja auch mit ihrem eigenen Instrument beschäftigt sind.

 

Gongs

Große Gongs und kleinere Kempuls (sehen genauso wie Gongs aus) strukturieren das Stück. Alle Spieler orientieren sich an diesen Instrumenten, weil diese bestimmte Phasen im Stück anzeigen und der große Gong immer das Ende einer Phase „einläutet“. Der Gongspieler hat manchmal gar nicht so viel zu tun, deswegen muss er mit dem Kopf immer voll dabei sein. Er muss ganz genau wissen, wo im Stück die anderen gerade sind, um die richtigen Akzente setzen zu können. Verpasst der Gongspieler einen Ton, so kann das in totalem Chaos enden, weil die anderen die Orientierung verlieren.

 

Bonangs

Die Bonangs, von meinen Schülern liebevoll oft „Muffins im Bett“ genannt, umspielen mit wunderschönen Pattern die Melodie. Wobei beide Bonangs unterschiedliche Pattern spielen. Außerdem geben sie oft Melodiewechsel an, indem sie in einer bestimmten Phrase ein leicht abgeändertes Pattern spielen. Das setzt auch bei den Spieler dieser Instrumente voraus, dass sie ganz genau wissen, wo sie gerade im Stück sind. Und die anderen Spieler müssen aus den oft komplexen Pattern heraushören, wann welcher Wechsel erfolgt.

 

Kendangs

Die Trommeln (Kendangs) geben nicht nur Tempo und Rhythmus vor, sondern oft auch Melodiewechsel. Und sie geben vor, wann das Stück beendet wird. Denn das ist nicht so festgelegt wie bei den in Noten festgehaltenen europäischen Orchesterstücken.

 

Das sind nur ein paar der Instrumente (nämlich die, die ich auf jeden Fall besetze, wenn ich Gamelan mit meinen Schülern spiele). So richtig schön wird es vor allem, wenn noch mehr Instrumente dazu kommen. Und mit jedem Instrument müssen die Spieler noch besser aufeinander hören und aufeinander reagieren!

 

Faszination Zusammenspiel

Für mich, die ich in meinem Musikstudium in klassischen Orchestern gespielt habe (leider habe ich keine Jazzmusik gespielt, die an dieser Stelle der indonesischen Musik ähnlicher ist), ergibt sich die Faszination dieser Musik daraus, dass die Strukturen und Melodien vorgegeben sind. Es ist aber z.B. meist nicht vorgeschrieben, wie lang oder wie oft ein Teil gespielt wird. Das ergibt sich oft aus äußeren Umständen. In Stuttgart gibt es einige Tänzer, die bestimmte Szenen z.B. aus dem hinduistischen „Ramayana“ tanzen. Dann muss derjenige, der den Wechsel in der Musik vorgibt, extrem auf Zack sein und nicht nur auf seine musikalischen Mitspieler achten, sondern auch den Tänzern genau zusehen.

Ihr Tanz gibt vor, wann ein neuer Teil/eine neue Phrase beginnt. Das muss der Spieler, der den Wechsel vorgibt, sehen, sofort reagieren, indem er den anderen das entsprechende musikalische Zeichen gibt, und dann mit den anderen zusammen das Neue weiterspielen. Und das alles während er selbst weiterhin die Tänzer genau beobachtet.

Gleiches gilt übrigens beim Begleiten des berühmten indonesischen Schattenpuppenspiels „Wayang Kulit“! (https://gamelan-stuttgart.de/Wayang.html )

Eine solche Gruppe kann nur funktionieren, wenn jeder einzelne seine ihm zugeschriebene Rolle ausfüllt. Während des Spiels ohne Wenn und Aber. In den Proben haben wir schon oft Diskussionen. Vor allem, weil wir alle sehr selbstbewusste Individuen sind. Während des Spiels funktionieren wir wunderbar zusammen. Wir funktionieren NUR zusammen!

Und auch das finde ich toll. Trotz der unterschiedlichen Charaktere, die hier wie auch in anderen Gamelanorchestern, in denen ich schon gespielt habe, zusammen treffen, kommt am Ende immer eine musikalische Einheit heraus.

 

Vorbild für andere Lebenssituationen?

Ich ziehe aus dieser Probensituation auch Lehren für mein privates Leben:

Fakt 1: Jeder ist unterschiedlich.

Fakt 2: Jeder ist wichtig.

Fakt 3: Wir können und müssen nicht immer einer Meinung sein.

Fakt 4: Wir brauchen einander.

Fakt 5: Keiner hat das Recht, einen anderen wegen einer anderen Meinung zu verletzen.

Fakt 6: Am Ende können wir es, wenn alle sich bemühen, immer schaffen, ein kreatives, wunderschönes und für alle befriedigendes Ergebnis zu erlangen.

Wichtigster Fakt: Jeder ist für sich und sein Handeln selbst verantwortlich! 

Letzteres bringt auch eine große Verantwortung mit sich: Mein Handeln muss dazu beitragen, dass das Zusammenspiel zwischen mir und den anderen klappt.

 

Endlich wieder zusammen spielen

Nach zwei Jahren, in denen ich coronabedingt nicht Gamelan spielen konnte (entweder konnte ich zu einem Termin nicht kommen oder wir durften gerade sowieso gar nicht proben), war diese erste Probe sooooo wunderschön. Zwar haben wir nicht so wahnsinnig toll zusammen gespielt. Erstens fehlt vor allem mir dazu jetzt echt die Übung und zweitens müssen wir uns erst wieder „eingrooven“. Und doch, es fühlte sich einfach an wie Leben. Echtes Leben, in dem andere Menschen vorkommen und eine Rolle spielen. 

Ist das nicht wunderschön? 

Für mich ein echtes Lebenselixier!

Dass ich am Wochenende danach direkt nach Berlin zum Taijitraining fahren durfte, lässt mich noch mehr das pralle Leben fühlen! (Über meine Freude am Taiji kannst du hier lesen: https://holz-lerncoach.de/wie-taiji-beim-lernen-hilft/; https://holz-lerncoach.de/was_ich_im_taijitraining_lerne/)

So starte ich mental gestärkt durch viele schöne Erlebnisse in die neue Woche.

Ich wünsche dir auch eine schöne Woche mit tollen Begegnungen!

Deine Daniela